In keinem anderen Sektor (Verkehr, Industrie, übrige) waren die Bemühungen, die Emissionen zu reduzieren, so erfolgreich wie im Immobiliensektor. Zwar profitierte dieser im Jahr 2022 vom einem aussergewöhnlich milden Winter. Ausserdem dürften viele Menschen bei der Beheizung der Gebäude besonders sparsam gewesen sein, weil durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine die Gefahr einer Energienotlage in der Luft lag. Allerdings gingen dieTreibhausgasemissionen schon in den Jahren davor spürbar zurück. Dass sie inzwischen 44% unter dem Wert von 1990 liegen, ist umso bemerkenswerter, als die beheizte Gebäudefläche, die sogenannte Energiebezugsfläche (EBF), im gleichen Zeitraum um 46.6% auf 796 Millionen Quadratmeter zugenommen hat. Das bedeutet, dass die Emissionen pro beheizte Flächeneinheit noch stärker abnahmen – und zwar insgesamt um 61.7%.
Auch wenn das grundsätzlich positive Nachrichten sind, ist klar, dass die Klimaziele nur erreicht werden können, wenn die dafür nötigen Massnahmen tatsächlich umgesetzt werden. Gemäss Artikel 4 des Gesetzes über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KIG) darf der Gebäudepark 2040 nur noch 18% der Treibhausgasemissionen von 1990 ausstossen. Das bedeutet, dass die Emissionen zwischen 2022 und 2040 um weitere 67.9% reduziert werden müssen. Ab 2050 gilt dann das Netto-Null-Ziel. Dieses besagt, dass die Schweiz ab 2050 nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre ausstossen darf, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können.
Was die Zwischenziele anbelangt, so liegt der Gebäudepark gemäss den Zahlen des Treibhausgasinventars in etwa auf dem Absenkpfad. Das für 2020 definierte Zwischenziel (minus 40% im Vergleich zu 1990) wurde erreicht, wenn auch mit 2 Jahren Verspätung. Der Gebäudepark hinkt den Klimazielen demnach tendenziell eher etwas hinterher, was verdeutlicht, dass der Weg weiterhin lang und herausfordernd ist.
Um die ambitionierten Ziele zu erreichen, müssen die richtigen Massnahmen ergriffen und zeitlich gut aufeinander abgestimmt werden. Dafür ist eine breite und detaillierte Datengrundlage notwendig. Das Treibhausgasinventar hat den Nachteil, dass es «nur» auf aggregierten nationalen Daten und Durchschnittswerten beruht, die keine Rückschlüsse auf einzelne Gebäude zulassen. Ausserdem ist zu beachten, dass darin nur Scope-1-Emissionen berücksichtigt sind. Das bedeutet, dass das Treibhausgasinventar nicht alle Emissionen, die mit dem Gebäudepark zusammenhängen, umfasst.
Daher ist der Zugriff auf die tatsächlichen Energieverbrauchsdaten einzelner Gebäude von grossem Nutzen:
Effektiv gemessene Energieverbrauchsdaten von spezifischen Gebäuden bieten den Vorteil, dass sie präzise, spezifisch und unmittelbar anwendbar sind. Sie ermöglichen es Eigentümern und Investoren, fundierte Entscheidungen zu treffen, die Energieeffizienz gezielt zu verbessern, Kosten zu sparen und einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Um zuverlässige Benchmarks für den realen Energieverbrauch, gemessen in Kilowattstunden (kWh), von Schweizer Wohngebäuden zu erstellen, haben Signa-Terre und Wüest Partner die Verbrauchsdaten von über 10'000 Wohngebäuden mit einer Energiebezugsfläche von knapp 18 Millionen Quadratmetern analysiert. Dabei wurden die Daten anonymisiert, sodass keine Rückschlüsse auf bestimmte Gebäude oder deren Eigentümer mehr möglich sind.
Der Datenerfassungs- und -verarbeitungsprozess von Signa-Terre beginnt mit einer technischen Begehung der Liegenschaften. Dabei werden die Zähler identifiziert, Messkonzepte erstellt und Energieaufteilungsschlüssel festgelegt, die als solide Grundlage für ein genaues Energie-Controlling dienen. Die Einhaltung international anerkannter Standards wie etwa ISAE 3000 Typ 2 bei der Erfassung und der Verarbeitung der Daten gewährleistet eine hohe Zuverlässigkeit.
Die Erhebung der Daten erfolgte in unterschiedlichen Jahren: Signa-Terre verwendet Daten aus dem Jahr 2023, während Wüest Partner Verbrauchszahlen aus dem Jahr 2022 nutzt. In beiden Fällen sind die Messungen witterungsbereinigt und decken einen Zeitraum von 12 Monaten ab, um saisonale Schwankungen zu berücksichtigen.
Für ein aussagekräftiges Benchmarking werden die Verbrauchsdaten auf die Energiebezugsfläche (EBF) normiert, hier auf Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m²a). Diese Normierung erlaubt einen direkten Vergleich zwischen verschiedenen Wohngebäuden und liefert wertvolle Informationen über die aktuelle Performance und das Verbesserungspotenzial.
Um die Emissionswerte, basierend auf den effektiven Verbrauchskennzahlen eines Wohngebäudes, zu berechnen, wird der tatsächliche Energieverbrauch (gemessen in kWh) zunächst witterungsbereinigt, um die Daten zu harmonisieren und vergleichbar zu machen. Diese Witterungsbereinigung erfolgt gemäss SIA 380:2022, Anhang F, die auch von der Real Estate Investment Data Association (REIDA) benutzt wird. Anschliessend wird der bereinigte Energieverbrauch mit dem jeweiligen Emissionsfaktor multipliziert, der vom verwendeten Energieträger abhängt. Dieser Emissionsfaktor beschreibt die Menge an CO₂-Äquivalenten (CO₂eq), die pro verbrauchter Energieeinheit freigesetzt werden. Die Faktoren werden regelmässig aktualisiert und sind mit den Vorgaben von REIDA abgestimmt.
Die Klassifizierung der CO2-Emissionen in die verschiedenen Scopes folgt der Methodik des Greenhouse Gas Protocol (GHGP). Eine genaue Liste der Emissionsfaktoren wird auf der Grundlage von Studien wie der «Intep-Studie» erstellt und für den Gebäudesektor jährlich angepasst. Die resultierenden Emissionswerte geben die Treibhausgasemissionen (in kg CO₂eq) an, die aus dem Energieverbrauch resultieren.
Die durchschnittliche Energieintensität der untersuchten Gebäude beträgt, gewichtet mit der Energiebezugsfläche (EBF), 119.2 kWh/m²a (Abbildung 3). Vergleicht man diesen Wert mit dem arithmetischen Mittelwert, der bei 126.6 kWh/m²a liegt, wird ersichtlich, dass grössere oder energieintensivere Gebäude im Durchschnitt effizienter sind, also erwartungsgemäss eine etwas bessere Energieeffizienz als kleinere Gebäude aufweisen.
Wenn man die aus der Analyse der Energieintensität gewonnenen Erkenntnisse in Betracht zieht, erstaunt es nicht, dass auch bei der Emissionsintensität der mit der Energiebezugsfläche gewichtete Mittelwert von 19.3 kg CO₂-Äquivalente pro m² EBF und Jahr (kg CO₂eq/m2a) tiefer liegt als der arithmetische Mittelwert von 21.8 kg CO₂eq/m2a (Abbildung 4). Die Scope-1-Emissionen (direkte Emissionen aus Brennstoffen) dominieren dabei mit einer gewichteten Emissionsintensität von 17.2 kg CO₂eq/m2a bei Weitem über die Scope-2-Emissionen (indirekte Treibhausgasemissionen aus eingekaufter Energie). Die direkten Emissionen sind damit der grösste Verursacher in Sachen CO₂-Belastung, was aufgrund des hohen Anteils an fossilen Brennstoffen (71.5%) den Erwartungen entspricht. Die wirksamste Massnahme, um diese Emissionen zu reduzieren, ist der Wechsel auf fossilfreie Energiequellen. Auch mit einer Sanierung der Gebäudehülle sind bedeutende Einsparungen möglich.
Die durchschnittliche Energieintensität der verschiedenen Heizsysteme weist grosse Unterschiede auf. Die höchste durchschnittliche Energieintensität wird mit 142.5 kWh/m2a bei elektrischen Heizungen beobachtet, dicht gefolgt von den Ölheizungen (140.0) und den Gasheizung (130.3). Holzheizungen (107.8) und Nah-/Fernwärme (108.6) bilden das Mittelfeld. Mit Abstand den niedrigsten Wert erreichen die Wärmepumpen (41.7), was ihre Attraktivität punkto Energieeffizienz unterstreicht.
Auch bei Emissionsintensität zeigen sich grosse Unterschiede zwischen den Heizsystemen. Solche, die auf fossile Brennstoffe angewiesen sind, weisen erwartungsgemäss die höchsten Emissionswerte auf: An der Spitze stehen die Ölheizungen (33.7 kg CO₂eq/m2a, Scope 1 + 2), gefolgt von den Gasheizungen (22.5). Beide Systeme verursachen hohe direkte Emissionen (Scope 1) und minimale indirekte Emissionen (Scope 2).
Im Gegensatz dazu stossen Holzheizungen und Wärmepumpen mit 0.8 bzw. 0.2 kg CO₂eq/m2a nur sehr geringe Treibhausgasmengen aus, da sie hauptsächlich erneuerbare Energien nutzen. Moderat schneidet Fernwärme mit 8.8 kg CO₂eq/m2a ab, was auf eine relativ tiefe Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen hinweist.
Die durchschnittliche Energieintensität von Gebäuden variiert stark je nach Eigentümertyp. Immobilien, die sich im Besitz von Privatpersonen oder Family Offices befinden, weisen mit durchschnittlich 127.6 kWh/m2a die höchste durchschnittliche Energieintensität auf. Dies deutet darauf hin, dass diese Eigentümergruppen tendenziell ältere Gebäude besitzen, die energetisch weniger optimiert sind. Das kann daran liegen, dass ihnen die finanziellen Mittel fehlen, oder auch daran, dass sie angesichts der immer komplizierter werdenden Regulierungen nicht über das nötige Know-how verfügen. Zu beachten ist aber auch die Tatsache, dass der regulatorische Druck auf diese Eigentümer (noch) nicht so gross wie im Falle von institutionellen Anlegern. Am anderen Ende der Skala findet sich die Kategorie, die Immobilienstiftungen und Genossenschaften umfasst. Sie weist mit 109.8 kWh/m2a die niedrigste Energieintensität auf – ein Hinweis darauf, wie stark diese Eigentümertypen auf nachhaltige und energieeffiziente Gebäude setzen.
Die durchschnittliche Emissionsintensität (Scope 1 + 2) liegt zwischen 14.8 kg CO₂eq/m2a (Immobilienstiftungen, Genossenschaften) und 22.3 kg CO₂eq/m2a (Privatpersonen und Family Offices). Die hohen Emissionen von Gebäuden im Besitz von Privatpersonen und Family Offices sind auf einen höheren Energieverbrauch und die Nutzung emissionsintensiverer Energiequellen zurückzuführen. Die relativ niedrigen Emissionen von Immobilienstiftungen und Genossenschaften deuten auf eine bewusste Nutzung emissionsarmer Energiequellen und eine höhere Energieeffizienz hin.
Bereits in früheren Studien, wie etwa durch REIDA, wurden tatsächliche Energieverbrauchs- und Emissionsdaten analysiert. Ein Vergleich mit diesen Studien zeigt, dass die ermittelten Werte nicht identisch sind. Dafür kann es mehrere Gründe geben.
Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Zusammensetzung und Grösse des Samples. Unser Sample besteht ausschliesslich aus Wohngebäuden, die im Vergleich mit anderen Gebäudetypen mehr Warmwasser verbrauchen. Zudem enthält unser Sample einen signifikanten Anteil an privat genutzten Gebäuden, von denen eine tendenziell geringere Energieeffizienz zu erwarten ist. Wir vermuten, dass auch der Abdeckungsgrad der Verbrauchsdaten die beobachteten Unterschiede erklären könnte. Der von Signa-Terre angewandte Prozess zur Datenerhebung entspricht strikt den Anforderungen des Standards ISAE 3000 Typ 2, der verglichen mit selbstdeklarierten Verbrauchsdaten, die ausserhalb dieses Standards erfasst wurden, ein höheres Mass an Sicherheit bietet. Es ist ebenfalls möglich, dass unser Sample einen höheren Anteil an älteren Gebäuden enthält, wobei das nicht eindeutig nachgewiesen werden kann.
Ein weiterer Unterschied liegt in der geografischen Verteilung des Samples. Obwohl unsere Daten breit gefächert sind, decken sie nicht alle Kantone der Schweiz proportional zu ihrer Grösse ab. Das bedeutet, dass Regionen mit spezifischen klimatischen oder baulichen Gegebenheiten in unserer Analyse möglicherweise weniger stark vertreten sind.
Darüber hinaus können selbst bei der Anwendung ähnlicher methodischer Ansätze, wie sie zum Beispiel von REIDA und in SIA 380:2022 vorgeschlagen werden, Unterschiede in den Ergebnissen auftreten. Analysen können zu unterschiedlichen Benchmarkwerten führen, selbst wenn wir versuchen, bestimmte Standards zu befolgen. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass Interpretationen der Standards variieren (zum Beispiel die Art und Weise, wie der Stromverbrauch für Tiefgaragen behandelt wird) oder in den Berechnungen unterschiedliche Annahmen oder Vereinfachungen verwendet werden.
Zunächst wurden die beiden Datensätze von Signa-Terre und Wüest Partner bereinigt und harmonisiert, um eine konsistente Vergleichsbasis zu schaffen. Diese Bereinigung ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Daten in einem einheitlichen Format vorliegen und mögliche Inkonsistenzen oder Anomalien beseitigt werden, bevor die Analyse beginnt (genauere Angaben zum Datensample finden Sie im Anhang 2).
Die Analyse des Energieverbrauchs konzentrierte sich auf drei Hauptkategorien von gemessenem Energieverbrauch:
Da die thermische Energie massgeblich von klimatischen Bedingungen beeinflusst wird, erfolgte eine Witterungsbereinigung der Verbrauchsdaten. Diese Bereinigung ist notwendig, um Gebäude miteinander vergleichen zu können, die sich in verschiedenen geografischen Regionen mit unterschiedlichen Wetterbedingungen befinden. Da die Daten aus zwei verschiedenen Jahren (2022 und 2023) und Standorten innerhalb der Schweiz stammen, wurde die Witterungsbereinigung anhand der Methode der akkumulierten Temperaturdifferenzen (ATD) durchgeführt, wie sie in REIDA und der SIA 380 beschrieben wird. Die entsprechenden Klimadaten wurden von MeteoSchweiz für die SIA-Klimastationen bezogen, wobei die nächstgelegene Station gemäss den REIDA-Regeln bestimmt wurde. Eine kleine Anpassung betraf das Referenzjahr: Statt des im REIDA definierten Zeitraums (2010–2019) wurde für diese Analyse der Zeitraum 2010–2022 verwendet.
Auf Grundlage des Energieverbrauchs der Gebäude wurde die Energieintensität (kWh pro m² und Jahr) berechnet. Anschliessend erfolgte die Berechnung der Treibhausgasemissionen in kg CO₂-Äquivalenten sowie der Treibhausgas-Emissionsintensität (kg CO₂-Äquivalente pro m² Energiebezugsfläche und Jahr). Die Emissionsfaktoren, die für diese Berechnungen verwendet wurden, sind mit den Vorgaben von REIDA abgestimmt, um eine konsistente Methodik sicherzustellen.
Wie die bereinigten und harmonisierten Datensätze von Signa-Terre und Wüest Partner zusammengesetzt sind, zeigen die folgenden beiden Tabellen.
Die hier vorgestellten Erkenntnisse sind das Resultat einer engen Zusammenarbeit zwischen Signa-Terre und Wüest Partner.
Signa-Terre wurde 2008 gegründet und ist ein Schweizer Unternehmen, das sich auf Immobilienmanagement mit Fokus auf die Energie- und Klimawende spezialisiert hat. Das Unternehmen bietet innovative, auf realen Verbrauchsdaten basierende Lösungen an, um die Dekarbonisierung von Immobilienportfolios zu begleiten. Seit 2023 ist Signa-Terre teil der Wüest-Partner-Gruppe, die eine Mehrheitsbeteiligung an Signa-Terre besitzt.
Falls Sie an den hier vorgestellten Benchmarks oder an Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung Ihres Immobilienportfolios interessiert sind, stehen Ihnen die Spezialistinnen und Spezialisten beider Unternehmen gerne zur Verfügung.
Signa Terre:
www.signa-terre.ch
Yannick Tinguely
Nicolas Demierre
Wüest Partner:
www.wuestpartner.com
Jacqueline Schweizer
Margarita Agriantoni